Pilatesstudios im Lockdown

Fotos aus der Zeit vor dem Lockdown – volles Studio und volle Mattenklassen (Fotos © Schramke)

Der Lockdown und die Schließung meines Studios für fast drei Monate hat mich und meine Kollegen nicht nur wirtschaftlich hart getroffen. Wenn man diesen Beruf ausübt und ein kleines Studio besitzt und tagtäglich unterrichtet, also eine Dienstleistung 1:1 am Kunden erbringt, dann tut man das in der Regel nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse. Die Bestätigung für die Arbeit ist nicht der Profit, der nach einem Monat harter Arbeit möglicherweise auf dem Bankkonto sichtbar ist, denn dieser ist zu gering. Miete, Geräte, Personal…. der Betrieb eines Studios hat hohe Fixkosten. Und erfordert hohen Einsatz. Was ist es also dann, was uns die Motivation gibt, ein Pilatesstudio zu betreiben? Es ist der Erfolg, den wir bei unseren Klienten sehen. Die Freude derer nach einer Session und die Dankbarkeit, dass es ihnen besser geht als vorher.

Pilates gibt Menschen die Chance, ein Bewegungsprogramm in einem sicheren, individuellen, konkurrenzfreien Rahmen durchzuführen mit qualifizierten Lehrern, die das, was sie vermitteln, anatomisch und biomechanisch verstehen, immer den Körper als Ganzen betrachtend.

Deshalb habe ich in meinem Pilatesstudio neben dem fitten, sportlichen Klientel, die ihre Leistung verbessern möchten auch Menschen mit chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates, von Rückenschmerzen durch Fehlhaltungen über schwere Skoliosen und Rheumatikern bis hin zu Contergan-Geschädigten. Ich habe andere, die nach Verletzungen oder Operationen mit anschließender Physiotherapie eine kompetente Nachbetreuung suchen, weil ihnen das Bewältigen einfacher Alltagstätigkeiten nicht reicht. Ich habe Übergewichtige, die mittels Pilates den Weg in ein neues Leben finden. Und natürlich sind da auch die Älteren, die beweglich bleiben und ihre Lebensqualität erhalten möchten. Pilates ist daher nicht nur Sport im Luxussektor, es ist so viel mehr.

Auf Sport im Luxussektor konnte man sicher verzichten in der Krise. Man konnte sich ja an der frischen Luft bewegen, es gab eine Riesenauswahl an Online Programmen für zuhause. Aber für diejenigen, die unsere Betreuung am nötigsten brauchten, gab es keine Alternative. Schulter-, Knie- oder Hüftprobleme sind online nicht lösbar und auch der Gang zur Physiotherapie war keine Option, denn dort durften nur absolut notwendige Fälle behandelt werden. Und selbst als die Friseure, Kosmetik- und Nagelstudios wieder öffnen und die Bundesliga wieder spielen durfte, mussten wir weiterhin unsere Kunden vertrösten, die uns und Pilates so dringend brauchten.

Seit Montag, den 8. Juni dürfen wir nun wieder öffnen. Die Einhaltung der Hygienemaßnahmen ist kein Problem und wäre es auch vorher nicht gewesen. Pilatesstudios sind kein Massenbetrieb. Die Kunden sind zurück. Weil sie ihr Pilates so sehr vermisst haben und die Pilates-Geräte, die eine so unglaubliche Bereicherung in der Bewegungstherapie sind, die aber ohne kompetente Anleitung nicht bedient werden sollten. Weil sie unser direkt auf sie zugeschnittenen Trainingsprogramme und die individuellen Korrekturen vermisst haben, die ihnen so sehr helfen und Schmerzen lindern. Und sicher auch, weil ihnen das soziale Umfeld fehlte. Und wir machen uns wieder ran an die Arbeit und versuchen, die durch Bewegungsmangel entstandenen Schäden zu reparieren.

„Change happens through movement and movement heals!“ Dieser Spruch des Erfinders der Pilates-Methode Joseph Pilates ist der Grundsatz in meinem Pilates-Studio, dem PILATES HOUSE in München Pasing, das ich 2009 gegründet habe. 2009 war das Jahr mitten in der damaligen Finanzkrise und trotzdem hatte ich den Mut dazu. Warum? Weil ich immer Pilates für viele Menschen als eine Notwendigkeit gesehen habe. Und ich wurde bestätigt.

Was habe ich aus dem Lockdown gelernt? Ich habe mehr denn je gelernt, welch wichtige Rolle meine Trainer und ich im Leben vieler unsere Kunden spielen. Alle wollten, dass wir die Krise überleben und haben das auf unterschiedliche Art und Weise bekundet. Dafür bin ich unendlich dankbar. Ich habe aber auch gelernt, dass die Akzeptanz unseres Berufes bei der Politik noch nicht stattgefunden hat. Niemand scheint zu wissen wer wir sind oder was wir tun. Auf Anfragen beim Gesundheitsamt oder der Regierung bekam man wenn überhaupt nur eine genervte Antwort. Ich verstehe die Überforderung. Ich verstehe, dass ein Weg aus der Krise nicht für alle gerecht sein kann. Aber ich habe auch verstanden, dass es bei dem Weg aus dem Lockdown wie schon vor ca. 2000 Jahren um vor allem um eines ging: Brot und Spiele.

 

Natascha Eyber
Ausbildungsinstitut BASI® Pilates Germany/Austria/Switzerland/Scandinavia
Inh. PILATES HOUSE München

Eine leicht gekürzte Version dieses Beitrags finden Sie auch unter mittelbayerische.de.