Archiv für den Monat: Januar 2015

Neutrales Becken ja oder nein?

Natascha Eyber – Vertreterin für BASI® (Body Arts and Science International®) Pilates in Deutschland,Österreich,Schweiz und Skandinavien, Ausbilderin für BASI® und Gründerin des Pilateshouse in München nimmt hierzu Stellung.

F.: Natascha, oft wird im Pilates von der Einhaltung eines neutralen Becken gesprochen – wie definierst Du diese Position?
N.: Viele zeitgenössische Pilates Ansätze, so auch BASI®, gehen als Ausgangspunkt für die meisten Übungen von einem neutralen Becken aus (SIAS und Schambeinfuge in Rückenlage auf derselben horizontalen Ebene). Aus der neutralen Beckenstellung resultiert die natürliche S-Kurve der Wirbelsäule. Diese Position bewirkt, dass der Körper im Stehen optimal und mit dem geringsten muskulären Aufwand an die Schwerkraft angebunden ist.

F.: ist es überhaupt möglich bei der Ausführung unterschiedlicher Übungen konsequent ein neutrales Becken zu halten?
N.: Das „neutrale“ Becken sollte sich meiner Meinung nach immer der Bewegung des Körpers anpassen. Beispiel: wenn sich die Beine in der „Tischposition“ (90° Hüft- und Knieflexion) befinden, hat diese Position automatisch eine leichte hintere Kippung des Beckens zur Folge. Dies ist natürlich und somit auch funktional.

F.: sollte während der ganzen Trainingszeit ein Augenmerk darauf geworfen werden, das Becken neutral zu halten?
N.: Eine der Hauptziele ist es, bei dem Klienten eine Stabilisierung des gesamten Becken-Lenden-Bereichs mit der korrekten Muskelaktivierung zu erzielen. Ich beobachte jedoch, dass diese neutrale Beckenstellung oftmals zu statisch gesehen wird. Manche Lehrer erlauben die natürliche Anpassung des Beckens bei veränderter Beinstellung nicht, was zur Folge hat, dass die Rückenmuskulatur übermäßig aktiv wird und die optimale Anbindung der Bauchmuskulatur zum Beckenboden somit nicht mehr gegeben ist.


F.: Was sollte ein Pilatestrainer bei seinen Klienten in dem Zusammenhang bedenken/beachten?

N.: Jeder Pilatestrainer sollte den Körper seines Klienten kennen und bei der Ausführung darauf achten, wie der Klient in der jeweiligen Übung optimal arbeiten kann. Bei BASI® sprechen wir immer von dem „Muskelfokus“ einer Übung. Um diesen Muskelfokus einzuhalten, muss man manchmal die Ausgangsstellung bei einem bestimmten Klienten leicht modifizieren. Hat dieser zum Beispiel eine übermäßige Lordose, kann es von Vorteil sein, das Becken beispielsweise beim Chest Lift leicht nach hinten zu kippen, damit die Rückenmuskulatur entlastet wird und die Bauchmuskulatur gut aktiviert werden kann.

F.: was hat es mit der neutralen Wirbelsäule auf sich?
N.: Wenn wir von neutraler Wirbelsäule sprechen, sprechen wir von der natürlichen S- Kurve der Wirbelsäule. Die neutrale Wirbelsäule hat eine neutrale Beckenstellung zur Folge. Umgekehrt aber kann die neutrale Beckenstellung beibehalten werden, auch wenn man die Wirbelsäule aus ihrer natürlichen S-Kurve heraus bewegt. Konkret heißt das zum Beispiel für den Chest Lift, dass es durch die Flexion der Wirbelsäule dem unteren Rücken erlaubt sein sollte, sich abzusenken. Die Lendenwirbel müssen deshalb nicht in den Boden gepresst und das Becken gekippt werden, sondern es sollte eine natürliche Anpassung an die Bewegung stattfinden. Das Becken kann hierbei trotzdem neutral bleiben!


F.: dein Abschlusswort für heute…

N.: Pilates ist Bewegung und Bewegung ist dynamisch! Der Körper muss sich im täglichen Leben ständig an seine Bewegungen anpassen. Auch wenn man im Pilates und anderen Bewegungsformen gewisse Orientierungspunkte bei der Ausgangsstellung oder Ausführung einer Übung festlegt, so sollte der Körper oder ein bestimmtes Körperteil dadurch niemals statisch werden. Denn nur funktionale Bewegung ist auch effektiv.

F.: Danke!